Ein Schweizerbuch: Absurde Gaga-Briefe

Dr. Flachsmann, Staatsanwalt und stv. Chef Kriminalkommissariat

Wenn Sie in die Hose scheissen ist dies nur dann straftechtlich relevant, wenn es sich um eine fremde Hose handelt.

Dr. Flachsmann, Staatsanwalt und stv. Chef Kriminalkommissariat

schweizerbuch

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Screenshot by Website René Schweizer

Nach einem Bankbetrug, der dem Basler René Schweizer 1968 rund dreissigtausend Franken und vierzehneinhalb Monate in diversen Strafanstalten einbrachte, schrieb er aus der Zelle unzählige «Gaga»-Briefe – «absurde Briefe», wie er sie selber nannte – an Private, Staatsanwälte, Behörden, Cervelat-Prominente und Firmen.

Die besten seiner Brief-Ergüsse inklusive Antworten der Angeschriebenen veröffentlichte er 1977 in einem Buch – vom Umfang her eher ein Büchlein – mit dem Titel «Ein Schweizerbuch», das von der damaligen WELTWOCHE als «bemerkenswertes Stück Concept-Kunst» bezeichnet worden war. Der heute noch legendäre Loriot schrieb Schweizer «Ihr Buch hat mich ausserordentlich amüsiert. Es würde sicher Spass machen, sich mal zu unterhalten ...», was indirekt als Einladung gewertet werden darf. Ob sich die beiden jemals getroffen haben, weiss ich nicht.

Das Buch selber avancierte zum Schweizer Bestseller. Auch ich kaufte es irgendwann und amüsierte mich prächtig. Heute fiel es mir zufällig in die Hand, als ich das Buch «Clash of Civilizations» (Kampf der Kulturen) von Samuel P. Huntington suchte.

Ich blätterte kurz durch die veröffentlichten Schmonzetten und fand einen der Klassiker, den ich (in gekürzter Fassung) niemandem vorenthalten möchte. So schrieb Schweizer ausgerechnet an den Staatsanwalt, der die Anklage gegen ihn vertreten hatte, einen seiner berüchtigten Briefe aus der Zelle mit folgender Frage:

«Sehr geehrte Herren, ich habe in die Hosen geschissen und möchte Sie gerne anfragen, ob das ein Offizialdelikt ist. Mit bestem Dank für Ihre Mühe verbleibe ich hochachtungsvoll, Ihr René Schweizer»

Der Staatsanwalt bewies Humor und antwortete Schweizer tatsächlich:

«Sehr geehrter Herr Schweizer, wenn Sie in die Hose scheissen ist dies nur dann straftechtlich relevant, wenn es sich um eine fremde Hose handelt, ein entsprechender Vorsatz vorliegt und Strafantrag gestellt wird. Mit freundlichen Grüssen, Dr. Flachsmann, Staatsanwalt, stv. Chef Kriminalkommissariat.»

René Schweizer verstarb 2015 im Alter von 71 Jahren und wird vermutlich nun die Engel mit seinem leicht bizarren Humor zum Lachen bringen. Ein Trost bleibt ihm auch als Sternenstaub: Ab und zu erinnert sich jemand an ihn. Und schmunzelt. Wer kann das schon von sich nach dem Ableben behaupten? Auch wenn es nur durch Zufall passiert. Selbst seine Website fristet immer noch als vorsintflutliches Exemplar der Web-Designkunst ihr irdisches Dasein im (worldwide) Netz: https://www.g-st.ch/rene-schweizer/home.html. R.I.P.

Quelle: Giueppe di Malaparte

6.10.2020

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